Drei stille Nächte...

 

Diesen Text schreibe ich in den sogenannten Sperrnächten. Die letzten 12 Nächte vor der Wintersonnenwende des Jahres. Eine Zeit, um das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen und Resümee zu ziehen:

 

 

Was habe ich umgesetzt von dem, was ich mir vorgenommen habe?
Ist es mir gelungen, neue Gewohnheiten zu etablieren?
Was wurde mir genommen?
Was wurde mir geschenkt?
Wen habe ich aus meinem Leben ziehen lassen?
Wen habe ich willkommen geheißen?
Wofür bin ich dem ausklingenden Jahr dankbar?

 

 

Und dann folgen von der Sonnenwende bis Heiligabend die drei stillen Nächte. Es sind gerade hier oben im Norden wo ich leben auch die dunkelsten Nächte. Die Tage sind so kurz, dass der Eindruck entsteht, als wechsle das Morgengrauen gleich in die Abenddämmerung über. Noch weiter nördlich geht die Sonne gar nicht mehr auf. Natürlich haben wir Menschen auch hier Wege gefunden, der Stille und der Dunkelheit zu entfliehen, ihr auszuweichen, sie laut zu übertönen und mit Kunstlicht zu durchbrechen. Oder wir fliegen gleich in den Süden und überspringen die dunkle Jahreszeit. Damit haben wir uns auch die Möglichkeit der Wahl erschaffen. Wir sind unglaublich kreative und schöpferische Wesen, die ihr Potential noch lange nicht vollständig erfasst und begriffen haben. Wir haben also die Wahl, die meisten von uns auf jeden Fall. Und für jede Wahl die wir treffen, müssen wir einen Preis bezahlen und der ist nicht nur monetär.

 

 

Was, wenn ich in diesem Jahr wähle, die Stille und die Dunkelheit anzunehmen?

 

 

Jedes Jahr überlege ich wieder, mir eine Lichttherapielampe anzuschaffen und jedes Jahr entscheide ich mich dagegen. Im Büro in dem ich arbeite gibt es welche, damit wir auch im Winter fit und leistungsfähig sind, effizient arbeiten. Zuhause gönne ich mir den Luxus der Ineffizienz, des jährlichen, winterlichen Leistungstiefs – zumindest im Außen. Schon lange beobachte ich, dass in dieser Zeit die Innenwelt sehr aktiv ist. Das zeigen mir meine Träume, wenn ich mich an sie erinnere.

 

 

Träume sehen wir mit geschlossenen Augen. Es gibt also ein Sehen ohne zu sehen. Und bei mir gibt es auch ein Hören ohne zu hören, denn ich kann in meinen Träumen durchaus Gespräche führen. Mir geht es mit diesen Botschaften meines Unbewussten die aus dem nächtlichen Dunkel auftauchen mittlerweile sehr gut. Doch erinnere ich mich auch an Zeiten als Kind, in denen die Dunkelheit mir Angst machte, ich Alpträume hatte und immer ein Licht brennen musste. Es ist wie mit allem im Leben: die Dunkelheit genießen zu können, musste ich lernen.

 

 

Ebenso die Stille. Als ich das erste Mal in einer stillen Mediation saß, haben meine Ohren einen so enervierenden Pfeifton abgegeben, dass ich mich kaum konzentrieren konnte. Meine Gedanken fuhren parallel Achterbahn und fütterten aufsteigende Emotionen mit Bestätigung und Rechtfertigung. Die Stille ist herausfördernd. Sie förderte alles zutage, was ich bis dato erfolgreich kompensiert, weggehemmt, maskiert und intellektualisiert hatte. Hurra! Was für eine Waschmaschine!

 

 

Durchaus verständlich also, dass Zuflucht gesucht wird im dauernd dudelnden Radio, in Insta Posts, in to-do Listen, in Weihnachtsmärkten, in Streaming-Diensten…die Möglichkeiten der Stille zu entfliehen sind scheinbar endlos in unserer aktuellen Zeit.

 

 

In diesem Jahr sind die drei stillen Nächte am Wochenende. Was, wenn ich mir den Luxus gönne und auf keine Weihnachtsfeier gehe? Was wenn ich in aller Stille meine Geschenke einpacke? Am Übergang zwischen Morgengrauen und Abenddämmerung mit mir ganz still und heimlich einen Spaziergang mache? Abends eine Kerze anzünde statt der Lichterkette? Und in Gesprächen einfach die Stille wahre, meine bewertenden, kommentierenden Gedanken nur beobachte, aber nicht ausspreche? Soviel wie nötig, so wenig wie möglich.

 

 

Ich probiere das aus in diesem Jahr. Machst Du mit?